Malen ist wie Meditation

Das Malen mit Aquarellfarben liegt voll im Trend. Schon Anfänger können mit ein wenig Übung vorzeigbare Grußkarten und Poster gestalten. So gelingt der Einstieg in ein Hobby, das entspannt.

Besonders beliebt sind aktuell florale Motive im sogenannten "Loose Watercolor"-Stil. Foto: iStock.com/Karma15381

Wer sich die aktuellen Trends in der Do-it-Yourself-Szene anschaut, kommt an der Aquarellmalerei derzeit nicht vorbei. Und das, obwohl diese Kunstform bereits Jahrhunderte alt ist. In den Buchläden wächst die Auswahl an Anleitungsbüchern. Workshops – ob online oder in einem Kurs vor Ort – entstehen. Wer beim Thema Aquarell allerdings an Landschaftsbilder denkt, sollte dies schnell wieder verwerfen. „In“ sind abstrakt gemalte Blüten und Blätter, Blumenkränze und Tiere. Kakteen, Flamingos oder Sukkulenten, die aus den Dekoläden aktuell nicht wegzudenken sind, sind auch in der Aquarellmalerei beliebte Motive. Auf detaillierte Darstellungen kommt es weniger an – ein Vorteil für Einsteiger, die schnell ansehnliche Ergebnisse erzielen wollen.

„Watercolor wird seit etwa einem halben Jahr immer beliebter“, meint auch Sue Hiepler. Gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Yasmin Reddig betreibt sie in Bonn ein Kreativstudio. Unter dem Namen „May & Berry“ vereinen die beiden jungen Frauen Handlettering und Aquarell. In ihren Anleitungsbüchern und Workshops zeigen sie Interessierten, meist Frauen, wie solche Illustrationen gelingen. „Am Anfang hat vor allem das Lettering gezogen. Inzwischen kommen aber auch unsere Watercolor-Workshops sehr gut an“, erzählt Sue Hiepler. Beides ergänze sich eben: Die Aquarellmalereien lassen Sprüche nicht so „nackt“ aussehen und zugleich unterstreicht der Text, was bildlich gezeigt wird.

„Wie sich die Farben und das Wasser entwickeln, hat eine meditative Wirkung“

In einer Welt, die immer schneller und stressiger wird, hilft ein kreatives Hobby dabei, Entschleunigung im Alltag zu finden. „Wie sich die Farben und das Wasser entwickeln, hat eine meditative Wirkung“, erklärt Sue Hiepler. „Sich auf YouTube ein Video anzuschauen, wie jemand einen Planeten malt, ist einfach entspannend.“

Auch Lena Yokota-Barth, deren Hobby „Aquarell“ ihr innerhalb kurzer Zeit die Veröffentlichung eines Anleitungsbuches für Einsteiger eingebracht hat, verweist auf den entspannenden Charakter des Malens. Zudem könne man mit selbstgestalteten Grußkarten, Geschenkanhängern und Postern auch anderen eine Freude bereiten: „Es gibt so viele Möglichkeiten, mit Aquarellieren etwas Schönes zu zaubern.“ Als Freizeitbeschäftigung sei es sicherlich interessant, weil nur wenige Materialien notwendig sind.

Wenige Materialen reichen aus

Zwar lässt sich auch mit dem Wassermalkasten aus der Schule starten, doch besser sind auch bereits zu Beginn Aquarellfarben. Ihre Pigmentierung ist höher, die Farben erscheinen strahlender. Erhältlich sind sie in verschiedenen Qualitäten und Preisstufen. Zum Start genügen Einsteiger- oder auch Reisekästen mit etwa zwölf Näpfchen. Schließlich lassen sich durch das Mischen der Primärfarben Gelb, Blau und Rot andere Farben erzeugen. Auf Deckweiß wird verzichtet. Die Farben werden durch das Vermischen mit Wasser transparenter und heller. Stellen, die weiß erscheinen sollen, spart der Künstler beim Malen aus.

Hinzu kommen eine Mischpalette und Pinsel in unterschiedlichen Stärken. Sue Hiepler empfiehlt, nicht die günstigsten Pinsel zu wählen, denn sie verlieren schnell ihre Haare und ihre Form. „Drei mittelpreisige Rundpinsel in den Größen 2, 6 und 12 genügen.“ Durch die feinen Spitzen der Rundpinsel können verschiedene Strichstärken erzielt werden. Benötigt wird darüber hinaus Aquarellpapier. Es sollte mindestens 200, besser 300 g/m2 stark sein. Von Vorteil sind Malblöcke, die an vier Seiten verleimt sind, so dass sich das Papier nicht so leicht wellt. Erhältlich ist es in unterschiedlichen Oberflächen-Strukturen. Für Anfänger sollte es eine feine Körnung sein. Wer ein Handlettering hinzufügen möchte, greift am besten zu einem glatten, satinierten Papier. Auf den Maltisch gehören zudem zwei mit Wasser gefüllte Gläser – eines zum Auswaschen der Pinsel, das zweite zum Aufnehmen von klarem Wasser.

Neben Anleitungsbüchern und Kursen helfen Video-Anleitungen beim Einstieg. Auf YouTube und Instagram lassen sich Künstler beim Malen über die Schulter schauen, was insbesondere hilfreich ist, wenn man sich die Pinselführung abschauen möchte. Inspiration für passende Motive gibt es zudem auf Pinterest. Und dann heißt es: ausprobieren und lernen! Denn welch vielfältige Farben selbst ein kleiner Malkasten dank des Mischens entstehen und wie viel Wasser es braucht, damit die Farben schön verlaufen, erfährt man nur beim Experimentieren.

Zwei Maltechniken für das Aquarellieren

Zu Anfang hilft es, sich mit den beiden Maltechniken beim Aquarellieren vertraut zu machen, um ein Gefühl für Farben, Verläufe und den ausreichenden Einsatz von Wasser zu erhalten.

Bei der Nass-in-Nass-Technik, auch Lavieren genannt, wird die Farbe auf das befeuchtete Papier aufgetragen. Sie breitet sich aus und blutet nach und nach aus. Mit dieser Technik lassen sich auch Farbverläufe erstellen. Die Übergänge sind fließend.  Als Übung malen Sie – wie in der Abbildung – Kreise, die sich leicht berühren. Arbeiten Sie schnell, sodass die Farbe nicht trocknen kann und beobachten Sie das Zusammenspiel der Farben.

Bei der Nass-auf-Trocken-Technik, dem Lasieren, wird die mit Wasser verdünnte Farbe aufgetragen. Erst nach dem Trocknen wird die nächste transparente Farbschicht aufgemalt. An jenen Stellen, an denen sich die Farben überlagern, bilden sich neue Mischtöne. Die Ränder sind klar erkennbar. Diese Technik lässt sich üben, indem Sie sich überlappende Kreise Schritt für Schritt auf das Papier bringen.

Kerstin Smirr

 

Dieser Beitrag ist im Oktober 2018 im luxemburgischen Wochenmagazin „Télécran“ erschienen.